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Hildegard von Bingen Zitate

Hildegard von Bingen über den August

Der achte Monat ist mit seinen Kräften wie ein mächtiger Fürst, der alles in der Fülle seiner Macht besitzt.
Daher strahlt er auch Freude aus.
Er brennt in der Glut der Sonne, hat aber wegen einer gewissen Kühle bereist Tau. Durch seine Gewitter ist er schrecklich, weil sich die Sonne schon ihrem Niedergang zugeneigt hat. 

Seine Eigenschaften zeigen sich in den Händen des Menschen, die sehr viele Werke vollbringen und die Macht des ganzen Körpers in sich tragen, denn alles, was sie können, ziehen sie an sich und speichern es, sodass der Mensch wegen der Werke seiner Hände oft gelobt wird.
Ähnlich erkennt der Mensch auch durch den Geschmacksinn seines Mundes vollkommener als durch die übrigen Sinne die Kräfte von dem, was für ihn nahrhaft ist, und behält es in der Kraft seines Wissens, wie auch dieser Monat in seinen Kräften groß ist.
Der Mensch hat auch Freude in sich, indem er weise unterscheidet, welche kalten und warmen Wesen seiner Gesundheit zuträglich sind, so wie auch dieser Monat die Glut der Sonne und die Kühle des Taus in sich hat. Denn in seinem Wissen wendet er sich ab von dem, was gefährlich und unnütz ist und sammelt das Gute und Nützliche.

So vollenden die Hände kraftvoll in Rechtschaffenheit lobenswerte Werke, wie ein Baumeister in der Beherrschung seines Handwerks alle Teile seines Hauses errichtet, in dem er seine ganze Habe weise aufbewahrt. 

Die Seele aber ist in ihrem Wesen nach kämpferisch und durchdringt mit ihren Wünschen die unerlaubten Begierden des Menschen und überwindet sie.
In reißendem Lauf zieht sie ihre Bahn und steigt vom Beginn ihres Kampfes an zu Gott empor. Sie kämpft mit dem Schild des Glaubens und der gesamten Waffenrüstung der Tugend gegen die Begierden des Fleisches, und wenn sie diese besiegt hat, freut sie sich wie ein Kämpfer, der nach seinem Willen und seiner Absicht seine Feinde überwunden hat. Denn da sie in der Glut der wahren Sonne brennt, lässt sie den Menschen aufseufzen, sodass er in der Kühle der wahren Reue, die alle Sünden ausdörren lässt, Tränen vergießt.

Der Mensch steigt nämlich in der Reue, in der ihm sehr viele Widerstände entgegentreten, hinab, weil er sich in Demut für Schmutz hält, sodass er kaum die Heilung seiner Seele erhofft.
Aber die Seele stellt ihm bald das Kreuz und alle Leiden Jesu Christi vor Augen, durch die die Sünden getilgt werden. So erhebt sie ihn zur Hoffnung empor, aus der die Reue erblüht, während er selbst von Tugend zu Tugend emporsteigt. Er bringt dann durch sie für jedes einzelne Werk, das er durch sie vollbracht hat, die Blüten der guten Werke und heiligen Tugenden hervor, an denen er nie Überdruss bekommen kann. So wird er durch die Reue emporgehoben und schreitet täglich mit großer Kraft voran und sammelt gute und heilige Werke, an denen sich die ganze himmlische Schar im Lobpreis Gottes erfreut. 


Foto: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den Juni

Der sechste Monat ist durch die Hitze trocken, und beim Wachsen der Früchte erhebt er sich mi dem Wind, der den Früchten die Reife bringt und zuweilen übermäßig Regen ausgießt.

Mit ihm werden die Schultern des Menschen bezeichnet, die in ihrer Wärme Trockenheit haben und jede Arbeit unterstützen, jedes Werk durchführen und den gesamten Körper aufrecht halten. Trotzdem suchen sie bisweilen statt ihrer Arbeit Ruhe, wie ein Vogel vor Müdigkeit seine Flügel sinken lässt und wie die Wurzel ihre Verzweigungen zusammenhält. Auf die gleiche Weise ist der zweite Sinn, das Gehör, gleichsam der kleine Flügel der Vernunft zum Verstehen der Worte, die er aufnimmt. 

So kommt es, dass der Mensch, während die Ohren den Laut jedes einzelnen Geschöpfes aufnehmen, erkennt, was dieses Geschöpf ist oder wo es sich befindet. 
Dadurch strengt er seinen Geist mehr an, es zu erforschen. Denn die Kraft der Seele, die durch die Ohren empfindet, hat keine Mühe mit dem Hören und hat nicht aus Überdruss satt daran, sondern sie hat vielmehr das Verlangen, vieles zu erkennen und sich zu merken. 

So dehnt auch der sechste Monat, der nicht feucht ist, die Früchte, die er mit seiner milden Wärme hervorgeholt hatte, durch vielfache Zunahme aus und beginnt in ihnen die Reife. Und wie in diesem Monat sich Wassermassen unter dem gefährlichen Grollen des Donners in Furcht ergießen, so ist auch unter dem, was das Gehör über die menschlichen Angelegenheiten gelassen zulässt, vieles, was der Mensch mit Schrecken und Trauer aufnimmt.

Das Gehör ist der Anfang der vernunftbegabten Seele. Denn wir Worte, die geschrieben werden, vorher ausgesprochen werden, so wird alles, was über das Gehör ausgesprochen und zusammengestellt wurde, nach der Absicht des Menschen ausgeführt. 
Die Seele wird dennoch gezwungen, das alles, Gutes und Schlechtes, Wertvolles und Unnützes, zu ertragen, obwohl sie schon beim Beginn des Hörens wegen ihrer Seufzer und Tränen, weil sie noch keine guten Taten begann, sich nicht voll freuen konnte.

Auch die Schultern, die die Feuchtigkeit der Eingeweide und der anderen Glieder des Menschen wie auch den ganzen Körper unterstützen, haben einige Ähnlichkeit mit dem Gehör, das der Anfang der Seele ist und durch das alle Werke vollendet werden, wie von den Schultern alle Lasten getragen werden. Wie nämlich die Eingeweide miteinander zusammenhängen, so stehen auch die Werke des Menschen miteinander in Verbindung.

An den guten Taten, durch die die Bösen beschuldigt werden, hat der Mensch Freude, und durch die schlechten, an denen man die guten erkennt, wird er traurig. Und so wird er, bereits wenn er noch in der Freude bleibt, bald in Traurigkeit gestürzt. Deshalb sucht er auch Ruhe, wie ja ein Mensch oft die Ruhe ersehnt, die er nicht haben kann. Daher wird auch die Seele, die, solange sie im Leib weilt, keine Ruhe findet, für das Gute in den ewigen Zelten aufgenommen, für das Böse nach dem, was sie verdient, bestraft.

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Hildegard von Bingen über den Mai

Der fünfte Monat ist lieblich, mild und herrlich durch die Früchte der Erde, wie auch das Schmecken des Mundes süß und freundlich ist; denn durch den Geschmack wird erkannt und festgestellt, woran der Mensch sich in Freude erquickt.

So ist auch die Vernunft die Säule und das Mark der fünf Sinne, die durch sie erhalten und zum Wirken angeleitet werden, wie die Erde, die vom Pflug umgeworfen ist, im Keimen fruchtbar wird. 

Das Sehen aber, die Sinneswahrnehmung der Augen, durch das der Mensch alles sieht und erkennt, hat mit Recht die Vorrangstellung unter den übrigen Sinnen. Denn wie sie in ihrer Stellung höher ist als die übrigen, so erfasst sie auch besser die entfernteren Dinge als die anderen. Auch dadurch ist der Gesichtssinn angenehm und großartig, weil der Mensch in ihm durch Erkennen und Auswählen das Nützliche vom Unnützen unterscheidet. 

Der fünfte Monat, der Mai, hat den lieblichsten Duft der Blumen, an denen sich die Herzen der Menschen erfreuen, weil in ihm alle Früchte der Erde hervorsprießen, an denen sich der Mensch freut. 

So erkennt auch der Mensch mit der Sehkraft der Augen auf natürliche Weise jede Verwendung der Wesen. Mit der Schärfe seiner Vernunft erkennt er den Unterschied von dem, was er sieht. 

Die Fruchtbarkeit dieses Monats aber ist dem Geschmackssinn des Menschen ähnlich, durch den der Mensch erkennt, was zu seiner Erquickung nützlich ist. 


Fotos: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den April

Durch den vierten Monat, der grün ist, Duft verbreitet und wie aus Furcht donnert, wird die Nase bezeichnet. Mit ihr zieht der Hauch der Seele den Geruch von allem ein, was der Mensch sich in Furcht auswählt, und entlässt ihn wieder.

Diesem Monat gleicht der Mensch, der durch den Hauch der Vernunft in seinem Wissen die Grünkraft der guten Werke weise erwählt. In diesem Menschen gedeihen alle Früchte und er bringt Wohlgerüche hervor. Denn mit dem süßesten Geruch wird der Ruf seiner Rechtschaffenheit und Nützlichkeit zum Lobe Gottes überall verbreitet.
Aber der Lärm der widerwärtigen und schlechten Menschen verschmäht oft die Tugenden und guten Werke jenes Menschen und bezeichnet ihn als ungerecht und böse. …
Wie nämlich dieser Monat gefährlich und furchterregend donnert und trotzdem die Früchte der Erde nicht austrocknet, so dörren auch die Kräfte und Tugenden des seligen Menschen durch die genannten bösen Reden nicht aus, sondern die, die mit ihren Zähnen gegen ihn knirschen, verlieren ihre Kraft

Und der Mensch wählt mit dem Hauch der Vernunft das Edelste und Süßeste aus und zieht es durch die Nase ein, das Stinkende und Hässliche verwirft er. So verdient er ewigen Lohn und wird von den Menschen mit Lob geehrt. Sein Verfolger dagegen bleibt ohne den himmlischen Lohn und kann auf Erden niemals von den Menschen in Wahrheit gelobt werden. Wer nämlich Gott fürchtet und liebt, hütet seinen Sinn vor allem, was schlecht ist, wie der Mensch seine Nase von etwas Stinkendem, Unreinen abwendet. 


Foto: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den März

Der dritte Monat ist seinem Wesen nach voller Unruhe. Er bringt Stürme und hat ungesunde Witterung in sich. Mit seinen verschiedenen Winden weckt er alle Keime der Erde.
An diesem Monat erkennt man die Ohren, in denen der Laut von allem Nützlichen und Unnützen ertönt, wodurch der ganze Leib bewegt wird.

Auf ähnliche Weise hat auch die Seele im Leib, der durch sie bewegt, erfüllt und wie von Adern durchflossen wird, eine Auseinandersetzung mit den Kräften der Natur.
Denn der Mensch gleicht mitten in seiner Jugend einem Baum, der zunächst unreife Früchte und später erste seine Früchte hervor treibt. Denn der Mensch trägt in sich Stürme des unruhigen Lebens, wenn er merkt, was er tun könnte, weil sein Mark schon fett und seine Adern gefüllt sind. Dann hat die Seele in ihm eine trauernde und klagende Stimme, weil ihr Schmerz durch seine Sünden mehr und mehr vergrößert wird; denn sie ist das Leben, das alle im Menschen in Bewegung setzt. 

Jener aber ist mehr als gerecht begierig nach Anerkennung, und indem er sich für weise hält, handelt er noch unvernünftiger. Durch seine Verwegenheit und seinen Hochmut ist er wie eine eitrige Wunde. Er verfällt in Lüge, während der Ruf eines guten und ehrenhaften Namens, den er zu haben sucht, sich nie an ihm zeigt. 

Daher wird auch seine Seele tief traurig, durch deren Kräfte das alles ausgeführt wird. Denn in sie kommt alles Gute und Böse zurück, wie auch in den Ohren alles Nützliche und Unnütze widerhallt. Wenn aber der Mensch die Auswüchse des jugendlichen Überschwangs überwunden hat und durch die Gnade Gottes seine Fehler wiedergutmacht und sich dem Besseren zuwendet, dann durchweht die Seele, die vorher traurig war, in ihm alles, Wertvolles und Unnützes und bewegt ihn zur Reue wegen seiner schlechten Taten. Über seine guten und nützlichen Werke aber lässt sie ihn sich freuen, als wäre es an einem paradiesischen Ort. 


Fotos: Renate Keim • Strand von Surendorf/Schwedeneck
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Hildegard von Bingen über den Februar

Der zweite Monat ist seinem Wesen nach reinigend und wird in den Augen versinnbildet. Denn wenn die Augen wässrig, unrein und krank sind, reinigen sie sich bisweilen selbst.

So ist auch die Seele im Menschen wie Saft im Baum. Dann wie durch den Saft alle Früchte des Baumes wachsen, so werden auch durch die Seele alle Werke des Menschen in die Tat umgesetzt. 

Wenn dann die Adern und das Mark des Menschen reif sind, beginnt er nach dem Verlangen des Fleisches zu handeln.
Wenn er das getan hat, seufzt er oft auf, gezwungen vom geistigen Wesen seiner Seele. …


Foto: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den Januar

Der erste Monat, in dem die Sonne wieder steigt, ist kalt und feucht. Er ist voller Widerspruch und schwitzt Wasser aus, das sich in das Weiß des Schnees verwandelt hat.
Daher werden seine Eigenschaften mit dem Gehirn verglichen. Auch es ist kalt und feucht und reinigt sich, indem es wertlose Flüssigkeit durch Ohren und Nase ausscheidet.

So wirkt auch die Seele mit Freude in der Kindheit des Menschen, die weder Arglist noch fleischliches Begehren kennt und die Seele nicht antreibt, gegen ihre Natur zu wirken.
Die Seele ist in der Kindheit, die ihrem eigenen Sehnen nach einfach und unschuldig ist, stark und mächtig.
Später aber, wenn sie die Freude über die kindliche Unschuld entbehrt, wird sie in große Traurigkeit gestürzt, wie ein Fremdling, der aus seiner Heimat vertrieben ist.
Denn die Körpersäfte im Menschen nehmen jetzt zu, er selbst wird von der Fleischeslust befleckt, liebt die Leichtfertigkeit und damit die Gottvergessenheit und findet Freude und Lust an der Tischgesellschaft der Sünder.

Wie nämlich die Sonne sich im ersten Monat wieder erhebt, so ist die Seele im frühen Lebensalter weder gebunden noch verfinstert durch die Lust und Auswirkung der Sünden.
Durch sie wandelt der Mensch mit dem widersprüchlichen Verhalten seiner Unbeständigkeit in die Verhärtung von Niedertracht und Eitelkeit, da ihm die Heiligkeit des rechten Handelns fehlt.
Aber wenn dieser Mensch durch die Belehrungen und Ermahnungen des Heiligen Geistes Tränen vergießt, wird er mit dem süßen Duft des guten Rufes vom Gestank seiner Sünden gereinigt, weil er Unkenntnis und Widerwillen gegen gute Werke meidet.


Foto: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den Dezember

Auch der zwölfte Monat hat starke Kälte. Er lässt die Erde gefrieren, bedeckt sie völlig mit dem Schaum der Kälte und macht sie abstoßend und beschwerlich.
Deswegen werden mit seiner Eigenschaft die Füße des Menschen bezeichnet, die sehr vieles zertreten und breittreten und die Erde eindämmen. Sie können sich auch nicht von der Erde in die Höhe heben, sondern stehen auf ihr.

So wird auch die Seele des Menschen schwer befleckt, der in seiner Wut das Blut seines nächsten vergossen hat oder ihm im Streit ein anderes Unrecht zufügte.
Denn wie der Körper nach dem Scheiden der Seele ohne jede Wärme ist und kalt bleibt, so vergisst ohne die Wärme der Gaben des Heiligen Geistes die Seele, in Zorn verhärtet, ihr Wesen. …

Denn im Zorn fließt das Blut des Menschen über. So wird der selbst seiner gesunden Sinne beraubt und sozusagen wahnsinnig.
Wer also derart für die guten Werke der heiligen und reinen Erkenntnis blind ist, wird niemals die Freuden der Heiligkeit besitzen, die er in seinem Zorn befleckt hat. …


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Hildegard von Bingen über den November

Der elfte Monat neigt sich und baut die Kälte auf. Er zeigt an sich nicht die Freude des Sommers, sondern die Traurigkeit des Winters. Kälte bricht aus ihm über die Erde und lässt sie Schmutz aufwühlen.
Das macht auch der Mensch nach, wenn er sich zusammenkauert, damit ihn die Kälte nicht durchdringt. Daher häuft er auch, wenn er seine Knie in Traurigkeit beugt, in seinem Herzen schmerzliche Gedanken auf, hält sich gleichsam für Schmutz und hat keinen Blick für die Freude. … 

Und da er die Freude der Jugend nicht mehr hat, wird er traurig durch die Schwächung infolge der Trockenheit, in der er abmagert und durch überflüssige Säfte allmählich verfällt. …

Obwohl aber die Seele den Menschen mit ihren Kräften so überwältigt hat, dass er ihretwegen von den Sünden, die er begangen hat, ein wenig ablässt, kann sie ihn dennoch nicht daran hindern, Begier nach dem Sündigen zu haben. Dann stöhnt sie in ihrem Gefäß, dem Fleisch, in dem sie wohnt; denn sie durchdringt den ganzen Leib und bewegt ihn wie Wind, der in ein Haus weht, dessen Wände er zittern lässt und durch dessen Luken oder Fenster er mit seinem Wehen dringt. …

Das Stöhnen der Seele erhebt sich voller Schmerzen, da der Geschmack ihrer geistigen Natur ihr entfremdet wurde; denn wenn sie nicht durch die Gnade des Heiligen Geistes entfacht ist, stimmt sie, wenn auch gegen ihren Willen, dem Menschen zu, seine Werke auszuführen. Weil sie aber gegen ihren Willen wirkt, hat sie große Traurigkeit, wie auch der Leib manchmal Traurigkeit hat, wenn er gemäß der Natur seiner Seele zu handeln gezwungen ist.


Foto: Renate Keim
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Hildegard von Bingen über den Oktober

Der zehnte Monat gleicht einem sitzenden Menschen, weil er nicht mit seinen Kräften in Grünkraft auffliegt. Er bringt auch keine Wärme, sondern entblättert die Äste der Bäume und schickt Kälte aus.

So krümmt sich auch der Mensch im Sitzen zusammen, um der Kälte zu entgehen. In diesem Monat zieht er auch seine Kleidung fest an sich, weil der dann durch seine Bekleidung Wärme hat.
So ist auch der Mensch, wenn er im Greisenalter zu frieren beginnt, weiser geworden als früher. Er hat die Lebensart der Jugend satt, lässt das Schwanken zwischen zügellosem und törichtem Verhalten in diesem Alter austrocknen und meidet die Gesellschaft der Toren, damit sie ihn nicht mit ihrer Unwissenheit täuschen. …

Auch die Seele, die als lebendiger und kluger Geisthauch von Gott geschaffen wurde, der ja die wahre Weisheit ist, lehrt die Menschen, an dem festzuhalten was von Gott kommt.
Durch die Gnade Gottes beherrscht sie mit ihren Kräften im seligen Menschen, wie eine Herrin ihre Magd, den Leib, unterwirft ihn sich und erzeugt in ihm Freude an Gutem. …
Mit der Gnade des Heiligen Geistes tröstet die Seele den Leib, führt ihn von den Lastern zu den Tugenden, damit er nicht in Sünden zugrunde geht, und behütet ihn sorgsam.


Fotos: Renate Keim
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